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Organisationsentwicklung

Erfolgreicher Einstieg für Quereinsteiger in den Lehrberuf

Ausgangssituation

Der Markt für Lehrkräfte ist extrem umkämpft. Privatschulen bekommen vom Staat Lehrkräfte gestellt, aber auch mit privatrechtlich angestellten Lehrkräften. Dabei können sie Lehrkräfte einstellen, die nicht Lehramt studiert, sondern einen anderen Studienabschluss haben, sogenannte quereinsteigende Lehrkräfte. Der Schulträger kämpfte mit hoher Fluktuation quereinsteigender Lehrkäften in den ersten Monaten nach Dienstbeginn.

Ich wurde von einer Schulträgerin beauftragt einen Onboarding-Prozess zu konzipieren und einzuführen, der den erfolgreichen Einstieg quereinsteigender Lehrkräfte sichert und dabei die unterschiedlichen Vorkenntnisse der neuen Lehrkräfte berücksichtigt sowie die Besonderheit der einzelnen Schulen. Bei den Schulen handelt es sich um unterschiedliche Schularten mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten, von denen einige einen staatlichen Schulabschluss anbieten.

Herausforderung

Die Schulleitungen stehen vor der Herausforderung, die Einarbeitung quereinsteigender Lehrkräfte zu organisieren, deren Vorkenntnisse stark variieren, die aber alle qualitativ hochwertigen Unterricht halten sollen. Die neuen Lehrkräfte bringen vielleicht Vorerfahrung als Dozenten mit, können aber auch gänzlich unerfahren sein. Im Vergleich zu Absolventen des Lehramtsstudiums mit zwei Staatsexamina, sogenannten Erfüllern, fehlen aber in der Regel die praktische Lehrerfahrung aus dem Referendariat, Kenntnisse in Pädagogik, Didaktik und Dienstrecht oder auch ungeschriebener Regeln, wie zum Beispiel mit welcher Stiftfarbe korrigiert wird. Im staatlichen System gelten sogar diejenigen Lehrkräfte als Quereinsteiger*innen, die zwar „Erfüller“ sind, aber an einer anderen Schulart als der studierten unterrichten. Das zeigt, wie groß die Bandbreite der Vorkenntnisse ist und wie wichtig learning-on-the-job ist.

Auch die quereinsteigenden Lehrkäfte selbst stehen zu Beginn ihrer Lehrtätigkeit vor großen Herausforderungen: Sie müssen den Erwartungshaltungen der Schülerinnen und Schüler und der Eltern gerecht werden, ein Standing gegenüber erfahrenen Lehrkäften aufbauen und die fehlenden Fachkenntnisse on the job nachholen.

Genauso die Kollegien: Diese müssen sich bei jeder quereinsteigenden Lehrkraft neu darauf einstellen, wieviel Vorwissen vorhanden ist und wieviel Ausbildungshilfe sie leisten müssen.  

Für die Schulleitungen kommt hinzu, dass sie oft bis zum Ende eines Schuljahres nicht wissen, wieviele neue Lehrkräfte im folgenden Schuljahr sie benötigen, da die Allokation der Lehrkräfte durch den Staat und damit die aufzufüllenden Lücken erst dann klar werden. Solche Last-Minute-Einstellungen erschweren die Onboarding-Planung.

 

Veränderungsmanagement

Zunächst war es wichtig, unterschiedliche Betroffene nach ihren Erfahrungen und Bedarfen zu befragen: „Frische“ Quereinsteiger*innen, erfahrene Quereinsteiger*innen, Mentor*innen und Schulleitungen.

Auch wenn angesichts unterschiedlicher Schularten, Förderschwerpunkt und Vorkenntnisse die Antworten der befragten Personen sehr unterschiedlich waren, gab es doch viele Überschneidungen: 

§  Die Quereinsteiger*innen benötigen bereits vor Beginn ihrer Lehrtätigkeit mehr Grundsatz- Informationen, wie Besonderheiten des Förderschwerpunkts (zum Beispiel sind Hörschädigungen oft mit Legasthenie verbunden), wieviel sie von Schüler*innen unterschiedlicher Altersstufen erwarten können, und welche Erwartungen von den unterschiedlichen Gruppen der Schulfamilie an sie gestellt werden.

§  Die Mentor*innen benötigen mehr Zeit für das Mentoring, mehr Anerkennung, und verbindliche Anforderungen.

§  Die Schulleitungen erwarten von den neuen Lehrkräften, dass diese die Rolle als Führungskraft annehmen.

Wichtige Erkenntnisse konnten aus dem Austausch mit externen Experten, die Lehramt weiterdenken, gewonnen werden:

§  Die Selbstreflexion über die eigenen Prägungen für meist aus akademischen Familien stammende Lehrkräfte ist wichtig für die Beziehung zu ihren Schülern („Nicht jeder ist mit Goethe aufgewachsen“).

§  Das bis zu den Herbstferien sich schließende Zeitfenster muss bewusst für die Beziehungsgestaltung zwischen Schüler*innen und Lehrkräften genutzt werden. Was bis dahin nicht erreicht ist, ist danach nur noch schwer aufzuholen.

Im Laufe der Konzeptionsarbeiten zeigte sich, dass viele Akteure im Schulbereich vor den gleichen Problemen stehen und wir durch Kooperationen Synergien schaffen konnten.

In der Folge entstand ein Onboarding-Konzept mit vorgegebenen Modulen, die allen Bedarfen gerecht werden und die die Schulen an ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen können. Ein Kernmodul ist eine Einführungsveranstaltung zu Beginn des Schuljahres, an der die quereinsteigenden Lehrkräfte aller Schulen gemeinsam teilnehmen. Dort findet unter anderem die Auseinandersetzung mit der Rolle als Lehrkraft und den Förderschwerpunkten statt, die Reflexion über die eigenen Motive, es geht um den Umgang mit herausforderndem Verhalten und es gibt hands-on Tipps zu den ersten Tagen im Klassenzimmer.